Brandschutz & Krisenvorsorge

Brandprävention,  Krisenvorsorge, Risiken erkennen und richtiges Verhalten im Brandfall.

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Feuer im Hochhaus — Teil 2

Chancen & Risiken

Juli 2023, Dr.  Matthias Münch


Eine der größten Horrorvorstellungen, in der eigenen Wohnung vom Feuer eingeschlossen. Die Flucht aus der Wohnungstür wird durch Feuer und Rauch versperrt, aus dem Fenster geht es nur in die Tiefe. Eine Situation, wie sie vor allem in Hochhäusern vorkommen kann. 

Was kann man tun? Sollte man sich eine Strickleiter oder ein langes Seil kaufen? Hat die Feuerwehr Einsatzgeräte, um die eingeschlossenen Menschen mit der Drehleiter, der großen Arbeitsbühne oder einem Hubschrauber zu retten?



Brand in einem Hochhaus

All diese Fragen und diverse Lösungsvorschläge erscheinen regelmässig in Diskussionen zu Bränden in Hochhäusern, besonders nach Brandereignissen in denen Menschen zu Schaden gekommen sind. In der Regel haben sich nur wenige Menschen zuvor einmal kundig gemacht, sich mit dem Brandschutz, der eigenen Sicherheit beschäftigt.


Im Teil 1 erfahren Sie:

Hier im Teil 2 erfahren Sie


Wir hoffen, dass Ihnen diese Informationen helfen die Zusammenhänge besser zu verstehen und sich besser auf einen Brand in Ihrer eigenen Wohnung vorzubereiten.

3. Möglichkeiten der Feuerwehr

Wie im ersten Teil im Abschnitt 1 beschrieben, führen die Rettungswege im Hochhaus über den Treppenraum. Die Feuerwehr wird ihren Löschangriff und die Rettung von Personen auch über diesen Treppenraum vornehmen. Hierzu muss die gesamte Einsatzausrüstung hochgebracht werden. 


Verrauchter Fluchtweg im EG.Verrauchter Fluchtweg im Erdgeschoss versperrt die Flucht aus den oberen Etagen.

Kennzeichen Feuerwehraufzug
Bildquelle
DIN ING2015

Der im Hochhaus verbaute Brandschutz unterstützt nun die Feuerwehr. Aufgrund des Prinzips der Abschottung müssen in der Regel nicht gleich alle Bewohner aus allen Geschossen des Hochhauses evakuiert werden. In den meisten Fällen genügt es, wenn die Feuerwehr zunächst nur die Brandetage räumt. Je nach Brandereignis werden dann noch die darüberliegenden und darunterliegenden Wohnungen kontrolliert.

Ist der Gebäudebrandschutz hingegen in einem schlechten Zustand, z.B. weil bei Wartungs- oder Baumaßnahmen Regeln nicht eingehalten wurden oder Bewohner selbstschliessende Türen außer Funktion setzen, kann die Lage eskalieren. 


In der Brandetage wird ein Einsatztrupp unter Atemschutz mit einem Schlauch in die Brandwohnung eindringen, um ggf. dort noch vorhandene Personen zu finden, bzw. den Brand zu bekämpfen. Um diese Personen durch verrauchte Bereich in Sicherheit zu bringen, führen die Einsatztrupps Hauben mit, die den zu rettenden Personen aufgesetzt werden. Diese Hauben verfügen entweder über einen Kohlenstoffmonoxidfilter oder werden sogar an die Atemluftversorgung der Einsatztrupps angeschlossen.

Funktioniert das Prinzip der Abschottung müssen diese Personen dann nur eine Etage tiefer gebracht werden. Dort können sie dem Rettungsdienst zur Beobachtung oder Behandlung übergeben werden.  


Verrauchter Fluchtweg im Erdgeschoss versperrt die Flucht aus den oberen Etagen.
Verrauchter Fluchtweg im Erdgeschoss versperrt die Flucht aus den oberen Etagen.

Fluchthaube mit Filter (links) und Rettungshaube mit Anschluss an Atemschutzgerät der Feuerwehr-Einsatzkraft (rechts), Bildquelle MSA Safety Company

Verrauchter Fluchtweg im Erdgeschoss versperrt die Flucht aus den oberen Etagen.

Rettungshaube mit Anschluss an Atemschutzgerät der Feuerwehr-Einsatzkraft. 

In schwierigen Lagen, z.B. Person droht zu springen, wird die Feuerwehr natürlich versuchen auch Möglichkeiten einsetzen, die für den Einsatz bei Hochhäusern eigentlich nicht vorgesehen sind. Häufig scheitert der Einsatz dieser Mittel aber bereits an den fehlenden örtlichen Voraussetzungen bzw. der Einsatz basiert allein auf der Hoffnung, dass der Schaden etwas geringer ausfällt, da die Einsatzgrenzen der Rettungsgeräte überschritten werden. 

4. Gute Ideen?

Immer wieder tauchen in Diskussionen Fragen und Lösungsvorschläge auf, werden scheinbar revolutionäre, nie dagewesene, alles in den Schatten stellende Geräte und Hilfsmittel beworben oder die Einsatzkräfte der Feuerwehr als unfähig beschimpft.


Einige der Ideen und Vorschläge wollen wir hier kommentieren:

  • Warum sieht das Baurecht nicht grundsätzlich den Einsatz von Leitern auch bei Hochhäusern vor?

Tatsächlich werden von der Industrie Feuerwehrleitern mit Arbeitshöhen von 60 m angeboten. Allerdings gerät man hier dann auch an technische und ganz praktische Grenzen. Schon für den Einsatz der bei den Feuerwehren verwendeten kleineren 30 m Standard-Drehleitern gelten Beschränkungen:

  • Zufahrt, Aufstellfläche und Anleiterbarkeit
    Die Zufahrt und Aufstellflächen müssen
    bestimmte Anforderungen erfüllen, damit die schweren Fahrzeuge überhaupt zum Gebäude kommen. Das gilt auch für die Fenster oder Balkone, die dann mit der Leiter angeleitert werden sollen.
  • Einhaltung der wetterbedingten Einsatzgrenzen.
    Bei zu viel Wind oder Gewitter ist eine Rettung über die Leiter nicht mehr möglich.
  • Begrenzte Rettungsrate
    Der Rettungskorb der Leiter kann nur ein begrenztes Gewicht tragen. Damit ist die Anzahl der Personen, die gleichzeitig über die Leiter gerettet werden können, begrenzt. Die zu rettenden Personen müssen ferner auch in der Lage sein, aus dem angeleiterten Fenster in großer Höhe in den Rettungskorb zu klettern. 


Bereits diese Aufzählung zeigt, dass der Einsatz von Leitern als Ersatz für sichere  bauliche Rettungswege in Hochhäusern keine Alternative ist. Viel sicherer und wesentlich effizienter ist der Weg durch den Treppenraum. Es liegt daher in der Eigenverantwortung der Wohnungsbenutzer im Brandfall bis zu Wohnungstür zu gelangen. Der Aufwand für einen Einsatz derartiger Leitern als zusätzliche Alternative für die Fälle, in denen  es Menschen nicht zur Wohnungstür schaffen, ist dann vor allem eine gesellschaftspolitische Frage. 100%-ige Sicherheit gibt es nicht. Das ist somit das Restrisiko, mit den daraus resultierenden Opfern, welches wir als Gesellschaft  derzeit akzeptieren. 

Drehleitereinsatz an einem Nicht-Hochhaus

Einsatz einer „30 m“ Drehleiter an einem Wohngebäude unterhalb der Hochhausgrenze.

  • Warum wurde nicht ein höher reichendes Rettungsgerät der Feuerwehr eingesetzt?

Vereinzelt verfügen Feuerwehren über Fahrzeuge, die über die Rettungshöhen der klassischen „30 m Drehleitern“ hinausreichen. Dies können Drehleitern mit längeren Leitern aber auch Fahrzeuge mit Gelenk- oder Teleskopmasten sein?

Wie im
Teil 1, Abschnitt 1 erläutert, sieht das Baurecht die Selbstrettung über die baulichen Treppenräume vor. Deshalb fehlen in der Regel bei Hochhäusern die baulichen Voraussetzungen für den Einsatz derartiger Einsatzmittel. Ihr Einsatz ist daher meist auch dann nicht möglich, wenn ein derartig hochreichendes Einsatzmittel verfügbar wäre. 


Viel sicherer und wesentlich effizienter ist der Weg durch den Treppenraum. Es liegt daher in der Eigenverantwortung der Wohnungsbenutzer im Brandfall bis zu Wohnungstür zu gelangen.

Rettungskorb einer Drehleiter

Rettungskorb einer Feuerwehr-Drehleiter

  • Was ist mit dem Einsatz von Sprungpolstern?

Die häufig in den Medien noch erwähnten Sprungtücher sind durch Sprungpolster ersetzt worden. Bei deutschen Feuerwehren wird hauptsächlich das Sprungpolster vom Typ SP16 vorgehalten. 

Sprungpolster SP16, aufgeblasen am Turm der Messe Berlin
matchbox 2018 auf der Messe Berlin

Für das SP16 ist eine freie und ebene Grundfläche von 4 x 4 m ohne Glasscherben, spitze Gegenstände, Hindernisse, Büsche, Fahrradständer, usw. erforderlich. Es ist bis zu Einsprunghöhen von 16 m geeignet. Dies heißt allerdings nicht, dass der Einsprung verletzungsfrei ist. Es ist nur besser, als auf den harten Boden aufzuschlagen.

Die Vornahme eines solchen SP16 ist also immer auch mit dem Prinzip Hoffnung verbunden. Der Erfolg hängt dabei nicht nur von der Einsprunghöhe selbst, sondern auch von der Art und Weise ab, wie und wo der fallende Mensch in das Sprungpolster einschlägt.

Die Sprungpolster benötigen auf den Feuerwehrfahrzeugen relativ viel Platz, der dann für andere Gerätschaften fehlt. Da ein an einem Fenster hängender Mensch irgendwann keine Kraft mehr hat, müssen Sprungpolster schnell an der Einsatzstelle verfügbar sein.  Die Berliner Feuerwehr führt daher auf jedem Lösch-Hilfeleistungsfahrzeug ein solches Sprungpolster SP16 mit. Einsatzziel sind aber eher die zahlreichen Berliner Hinterhöfe.

  • Rettung durch Einsatzkräfte der Höhenrettung?

Warum seilen sich die Feuerwehreinsatzkräfte nicht vom Dach bis zur brennenden Etage ab, um die Person am Fenster/Balkon zu retten?

Spezialeinsatzkräfte, die sich von Dächern abseilen können, gibt es auch bei einigen Feuerwehren in sogenannten Höhenrettungsgruppen. Die Ausbildung und das ständige Training für diese sehr spezielle Tätigkeit sind aufwendig, die breite Masse der Feuerwehr-Einsatzkräfte ist daher darin nicht geschult. Die Idee bereitet im Einsatz auch noch ein paar andere Schwierigkeiten:

  • Verfügbarkeit und Eintreffzeit
    Die Höhenrettungsgruppe müsste zum Hochhausbrand immer mit alarmiert werden. Sie könnte auch nur dann rettende Maßnahmen ergreifen, wenn sie kurze Eintreffzeiten hat. Es bräuchte bei mehreren räumlich verteilten Hochhäusern  also mehrere davon. Tatsächlich verfügen aber nicht einmal alle Feuerwehren über eine Höhenrettungsgruppe.
  • Schneller und einfacher Zugang zum Dach
    Bauseitig muss bei den Hochhäusern ein schneller Zugang zum Dach vorgesehen sein, da die Höhenretter mit der kompletten Ausrüstung erst einmal auf das Dach müssen.
  • Abseilfestpunkte am Dach
    Um sich abzuseilen, braucht es geeignete und zuverlässige Festpunkte auf dem Dach, die auch nach Jahren des Gebäudebetriebs noch genauso zuverlässig sein müssen.
  • Abseilen durch Feuer und Rauch
    Die Einsatzkräfte müssen sich unter Atemschutz abseilen, da sie ggf. durch Rauch und Hitze hindurch müssen. Dies stellt noch höherer Anforderungen an die Einsatzkräfte und neue Anforderungen an die Hitzefestigkeit der verwendeten Seile.
  • Personenrettung
    Bei der zu rettenden Person angekommen, müsste die Person irgendwie gesichert werden. Wer sich auf dem Fenstersims eines brennenden Zimmers befindet oder sich daran festhält, wird kaum ein Sicherungsgeschirr tragen. Die Person wird vielmehr panische Angst haben und möglicherweise schon erhebliche Brandverletzungen aufweisen. Beides wird die Sicherung dieser Person nicht erleichtern.


Praktisch sind diese Voraussetzungen nicht gegeben und derartige Aktionen müssten zudem in einer so kurzen Zeitdauer stattfinden, in der die zu rettende Person sich noch in ihrer prekären Lage festhalten kann. 

  • Mit Seil oder Strickleiter selbst in Sicherheit bringen!

Ein sehr häufiger Lösungsvorschlag ist es, sich eine Strickleiter oder ein Rettungsseil zu kaufen und sich dann aus der Brandwohnung durch das Fenster selbst zu retten?

Selbsttest-Station: Selbstrettung mit Strickleiter auf der matchbox 2018 in Gelnhausen
Absteigen auf einer Strickleiter an einer Wand auf der matchbox 2018 in Gelnhausen

Selbsttest-Station: Selbstrettung mit Strickleiter entlang einer Wand.
matchbox 2017 in Gelnhausen

Grundsätzlich wäre eine solche Lösung im Einzelfall auch denkbar, die Frage ist, ist sie im Brandfall auch praktikabel? 


Für eine öffentliche Kundenveranstaltung haben wir eine derartige Situation als Selbsterfahrungsexperiment entworfen. Durch Spezialkräfte des THW gegen Absturz gesichert, konnte durch die Teilnehmer ein kurzes Stück Strickleiter an einer Wand herabgestiegen werden. Einfach war das nicht.


  • Praktische Befähigung
    Sie sollten also schon zu den besonders fitten Menschen gehören, die bereits in der Schule das von der Turnhallendecke herunterhängende dicke Tau wie ein Eichhörnchen mehrmals hoch- und runterklettern konnten. Sie wollen sich schließlich mehr als 22 m in die Tiefe retten, ohne loszulassen!

    Auch ohne repräsentative Datenerhebung behaupten wir, dass dies für die Mehrheit der Menschen nicht zutrifft. Ferner stellt sich die Frage: Wie häufig üben Sie das, damit das dann in Nacht und bei Aufregung auch ohne Fehler klappt?
    Sie haben nur einen Versuch!
  • Art, Anzahl und Festpunkt
    Sie müssen vorher einen Festpunkt vorbereiten, an dem Sie Ihr System festmachen. Die Heizkörper sind für derartige Lastaufnahmen nicht geeignet. Ferner müssten Sie derartige Lösungen an jedem Fenster Ihrer Wohnung vorhalten, Sie wissen ja nicht in welchem Zimmer sie sich selbst retten müssten, weil Sie die rettende Wohnungstür nicht mehr erreichen. Ansonsten könnten Sie ja einfach über den Flur die Wohnung verlassen.
    Sie sollten auch wissen, wie viele Menschen sich dann in dem Zimmer befinden und ob diese alle in der Lage sind, Ihre Lösung zu verwenden. Oder wollen Sie die anderen zurücklassen?  
  • Benutzung
    Auch der Ausstieg aus dem Fenster will geübt sein und gerade bei Strickleitern stellen sich viele Menschen die Verwendung einfacher vor, als sie tatsächlich ist.


Vielleicht probieren Sie das Ganze erst einmal auf einem Kletterparcours aus bzw. fragen Denjenigen, der mit derartigen Vorschlägen kommt, ob er Ihnen das mal auf einem Kletterparcours zeigen und beibringen kann.

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